„Ungeschönte Realitäten einer Familie“
Die GROSSE KLAPPE geht an „Moja siostra / Meine Schwester“ (PL 2023) von Mariusz Rusiński

Freitag, 8. November 2024

Die polnische Produktion „Moja siostra / Meine Schwester“ (PL 2023) hat die 14. GROSSE KLAPPE gewonnen. Der Europäische Filmpreis für politischen Kinder- und Jugenddokumentarfilm wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb gestiftet und ist mit 5.000 Euro dotiert. Über die Vergabe entschied die achtköpfige doxs!-Jugendjury in Duisburg.

Szenen einer Zerrüttung: In „Moja siostra / Meine Schwester“ fängt der polnische Regisseur Mariusz Rusiński die toxischen Dynamiken innerhalb seiner Familie ein. Seine Schwester Zuzia vermisst in ihrem Elternhaus Halt und Anerkennung und nimmt Drogen – die Eltern sind überfordert mit der Situation und überziehen sich gegenseitig mit Vorwürfen. Als der Filmemacher von seiner Schwester mit seiner Position als passiver Beobachter konfrontiert wird, wechselt er auf die andere Seite der Kamera und wird als aktiver Part des Konflikts sichtbar.

Die Jugendjury findet diesen Rollentausch des Regisseurs „bemerkenswert“ und hebt in ihrer Begründung die „vielfältigen Kameraperspektiven“ hervor, durch welche die „ungeschönten Realitäten“ jedes Familienmitglieds offengelegt würden. „Der Film begegnet seinen Protagonist*innen und der Thematik mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, Sensibilität und Empathie“, so die Juror*innen, und habe bei ihnen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung und Stifter der GROSSEN KLAPPE, dankte der Jugendjury für ihre Entscheidung: „Der diesjährige Preisträgerfilm macht auf beeindruckende Weise anschaulich, wie fehlgeleitete, familiäre Prozesse eine Spirale der Sucht in Gang setzen können, und gibt einem großen, gesellschaftlichen Problem eine persönliche Geschichte. Mit ihrer Auszeichnung lenkt die Jugendjury den Blick darauf, dass junge Menschen bei ihrer Identitätssuche nicht nur die Unterstützung ihrer Familie, sondern auch der Gesellschaft brauchen.“

Eine lobende Erwähnung sprechen die Jugendlichen für die norwegisch-niederländische Produktion „Har du sett ho / Hast du sie gesehen?“ von Astrid Ardagh aus. In atmosphärischen Bildkompositionen dokumentiert sie das monatelange Verschwinden einer Arktisinsel in der polarnächtlichen Dunkelheit, bis das Licht wieder zurückkehrt. Fazit der Jury: „Dies ist ein ganz besonderer und einmaliger Film, den wir so noch nie gesehen haben.“

Für Tanja Tlatlik, Festivalleiterin von doxs!, zeigt die Wahl der Jury, dass junge Zuschauer*innen keine Scheu vor anspruchsvollen Stoffen haben und offen sind für außergewöhnliche dramaturgische und ästhetische Formate. „Beide Filme weichen von klassischen dokumentarischen Erzählmustern ab und haben gleichwohl eine starke emotionale Wirkung auf das Publikum.“

Elf europäische Produktionen aus dem Festivalprogramm waren 2024 für die GROSSE KLAPPE nominiert. Die Auszeichnung wird in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb vergeben und würdigt Dokumentarfilme, die Kinder und Jugendliche ansprechen und dabei in besonderem Maße ästhetische und politische Debatten anstoßen. Die Preisverleihung, die von der Jugendjury selbst moderiert und gestaltet wird, fand am 8. November im filmforum in Duisburg statt. Die acht Jurymitglieder setzen sich aus Schüler*innen der Gesamtschule Meiderich, des Gymnasiums in den Filder Benden, des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums, des Steinbart-Gymnasiums, des Albert-Einstein-Gymnasiums und des Mercator-Gymnasiums zusammen.
Die ausführliche Jurybegründung sowie druckfähiges Bildmaterial der ausgezeichneten Filme sind mit Ablauf der Sperrfrist unter www.do-xs.de/presse eingestellt.

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