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„Wichtig ist, dass die Inhalte gut sind“

doku.klasse

Philipp Walulis ist ein Grenzgänger zwischen Fernsehen und Internet. Seine Sendung „Walulis sieht fern“, für die er 2012 einen Grimme-Preis erhielt, läuft im ARD-Spartensender EinsPlus und wird in Einzelclips über die sozialen Medien verbreitet. Im Interview spricht der 35-Jährige darüber, warum das Fernsehen auch ohne Fernsehapparat funktioniert, wie das geplante Jugendangebot von ARD und ZDF richtig gut werden könnte und was für ihn persönlich Erfolg bedeutet.

Was weißt du über die Zuschauer deiner Sendung?
Dass sie zwischen 20 und 35 Jahre alt sind und zu 70 Prozent aus Männern bestehen. 

So genau kann man das sagen?
Ja, dank der YouTube- und Facebook-Fans. Im Fernsehen könnte man eine so detaillierte Angabe gar nicht treffen. Schon gar nicht, wenn man in einem Spartenkanal läuft wie wir mit „Walulis sieht fern“. 

Ist für dich das klassische, lineare Fernsehen noch zu retten?
Das kommt darauf an, wie man Fernsehen definiert. Ist Fernsehen das, was aus einem alten Röhrenmonitor in einem verstaubten Wohnzimmer kommt? Oder bedeutet Fernsehen einfach allgemein Bewegtinhalte? Der Verbreitungsweg, also ob diese Inhalte jetzt über einen Fernsehapparat, über ein Handy oder Tablet gesendet und konsumiert werden, ist meiner Meinung nach egal. Wichtig ist, dass sie gut sind. Denn wir konkurrieren nicht mehr wie bisher mit 30 Kanälen, sondern mit der ganzen Welt.

Für die Sender ist es also gar nicht unbedingt entscheidend, auf welchem Medium sie gesehen werden?
Natürlich ist es für die Sender eine Herausforderung, wenn das Fernsehgerät immer mehr an Dominanz verliert. Aber es muss jetzt nicht ihr Ende bedeuten. Zudem glaube ich, dass die Leute auch in Zukunft manchmal einfach keine Lust haben, sich aktiv durch Tausende von Mediatheken zu klicken, sondern stattdessen weiterhin den Sendern die Entscheidung überlassen wollen, womit sie berieselt werden.

War „Walulis sieht fern“ mit seinem Clip-Konzept von Anfang an gar nicht auf die normale Fernsehverbreitung angelegt?
Nein, uns ging und geht es um kleine Elemente, die man heraustrennen und dann auf YouTube und in den sozialen Medien verbreiten kann. Die Ausstrahlung im Fernsehen war erst in einem zweiten Schritt von Belang, weil Fernsehen einfach die Sichtbarkeit einer Sendung erhöht.

Was unterscheidet Satire im Netz von Satire im Fernsehen?
Bei Satire im Web ist das Einstiegslevel sehr niedrig. Auch Menschen, die sich keine eigene Fernsehsendung leisten können oder acht Jahre Comedy studiert haben, um bei der „Heute Show“ mal einen Witz zu schreiben, können dort veröffentlichen und sich selbst ausprobieren. Da ist natürlich auch viel Mist dabei. Aber das ist erst einmal egal, denn das Internet hat unendlich viel Platz für Mist. Es geht darum, die guten Sachen zu finden. Und viele satirische Ideen funktionieren nur im Netz.

Zum Beispiel?
Unser „Heftiger-Generator“, der ZEIT-Schlagzeilen in Heftig-Sprech umwandelt. Dafür bietet das Fernsehen gar nicht die technischen Voraussetzungen. So etwas ist nur im Web umsetzbar. Oder auch der gesamte Crowd-Aspekt. Wenn wir uns lustige Hashtags ausdenken und diese bei Twitter eine kleine Bewegung auslösen.

„Wenn jemand eine Vision hat, sollten ihm nicht zu viele Menschen reinreden“

Wie bewertest du die Pläne von ARD und ZDF für einen Jugendkanal, der ja jetzt ein Online-Jugendkanal werden soll?
Ich finde es grundsätzlich gut, wenn ein solches Jugendangebot nicht im klassischen Gehege der Fernsehsender angesiedelt ist, sondern sich außerhalb der etablierten Strukturen aufbaut. Dadurch entzieht man sich den normalen Fernsehregeln, sei es inhaltlich, politisch, strategisch oder formattechnisch. Natürlich kann so etwas auch grandios in die Hose gehen. Solange ARD und ZDF aber nicht anfangen, verzweifelt irgendwelche YouTuber zu kopieren, sondern sich auf ihre eigene Power besinnen – sprich: ordentliche Redakteure, ordentliche Journalisten, Technikverständnis –, kann daraus durchaus etwas Gutes werden.

Was ja aber immer auch von der entsprechenden Budgetierung abhängt.
Natürlich. Auch junge Inhalte müssen qualitativ hochwertig gemacht werden, und Qualität kostet halt auch Geld. Deswegen muss man aufpassen, dass man nicht eine wacklige Webcam hinstellt und einen Affen von der Straße davor setzt.

Wäre die inhaltliche Partizipation der Zielgruppe wie bei der doku.klasse für dich ein denkbares Konzept, wenn es um die Entwicklung eines Formats geht?
Ich sehe das für mich eher skeptisch. Wenn jemand eine Vision hat und genau weiß, was er machen möchte, dann sollte er das auch machen, ohne dass ihm zu viele Menschen reinreden. Sei das nun innerhalb des Senders oder von außen. Natürlich ist es interessant zu erfahren, wie eine Sache wo ankommt. Doch das sollte man nicht zu hoch hängen. Denn schnell rutscht man in eine passive Fehlervermeidungshaltung hinein oder versucht, die Verantwortung für das, was man macht, ein Stück weit auf andere abzuwälzen. Nach dem Motto: Wir haben’s getestet, ich kann nichts dafür.

„Man sollte sich nicht wahnsinnig machen lassen von Quoten, Klickzahlen oder Kritiken“

Ist Erfolg ausschließlich eine messbare Größe?
Auf keinen Fall. In Zukunft wird man sich generell überlegen müssen, wie man Erfolg überhaupt messen will. Das wird auch eine Frage für den Jugendkanal sein. Schaut man sich nur die Klickzahlen an und sagt: Wir machen ganz viele kleine Videos, die möglichst aufreizende Thumbnails am Anfang haben, wo jeder drauf klicken will, egal, ob er danach enttäuscht ist, Hauptsache, er hat drauf geklickt? Oder geht es nur um die Einschaltquote und sagt man: Wir müssen am Anfang der Sendung ganz reißerisch sein, damit die Leute dran bleiben, und wenn es nach hinten ausfranst – egal? Man sollte sich, finde ich, nicht wahnsinnig machen lassen von Quoten, Klickzahlen oder auch Kritiken

Was ist denn dann für dich Erfolg?
Wenn ich eine Sache gemacht habe, die mir Spaß gemacht hat. Dann sage ich: Das ist ein Erfolg gewesen.

Und es ist egal, was andere darüber denken?
Zu einem großen Teil, ja. Da gibt es einen Selbstschutzmechanismus. Wenn es manchen Leuten nicht gefällt, dann gefällt es ihnen eben nicht. Die Welt ist groß, man kann auch woanders hingucken.