Atelier

Von Stoffen und Illustrationen

Seit Anfang des Projekts sorgt die Wahlberlinerin Julia Praschma jedes Jahr für einen neuen Look im doku.klasse-Universum. Höchste Zeit, um mit ihr über ihre kreative Arbeit zu sprechen.

Was machen Illustrator*innen – und wie bist du dazu gekommen?

Ganz einfach gesagt: Illustrator*innen machen Bilder. Und das in den verschiedensten Stilen und Techniken; sei es bunt oder schwarzweiß, einfach oder in komplexen Kompositionen, digital oder analog. Illustrationen finden Anwendung in Kampagnen, Produkten, Buchcovern, Werbematerial, Texten und Textilien – die Bandbreite ist vielfältig. Das Bildermachen war schon immer mein Ding. Ich habe viel und gern gezeichnet, vor allem in der letzten Bank in der Schule. Ursprünglich wollte ich Modedesign studieren, entschied mich dann aber für Kommunikationsdesign. An der Folkwang UdK in Essen habe ich im Rahmen meines Studiums alle notwendigen Gestaltungsgrundlagen im Bereich Fotografie, Design und Illustration gelernt. Bereits während des Studiums übernahm ich kleinere Jobs, gestaltete Flyer und Plakate für Veranstaltungen von Freund*innen, illustrierte für Magazine und war auch außerhalb der Uni kreativ tätig – sei es in Installationen, Bühnenbildern oder künstlerischen Workshops mit Kindern. Nach dem Studium zog ich schließlich nach Berlin. Dort habe ich mich dann ganz auf Illustration konzentriert.

Auf welcher Basis erstellst du deine (doku.klasse)Illustrationen?

Die Basis ist meine Intuition. Ein persönliches, ganz subjektives Gefühl, das ich bei den Themen empfinde und dem ich dann folge. In der Uni war es ein absolutes NoGo zu sagen, man hat etwas gestaltet, weil man es so gefühlt hat. Bei den meisten Projekten, für die ich jetzt angefragt werde, gibt es definierte Anforderungen und eine recht vorgeprägte Idee des finalen Produkts. Bei der doku.klasse ist das anders. Hier kann ich so richtig frei drehen und die absurdesten Bildideen umsetzen. Seit zehn Jahren darf ich schon für euch arbeiten, deswegen ist das Vertrauen in meine Arbeit da und das hilft mir, mich fallen zu lassen.

 

Wie geht der kreative Prozess dann weiter?

Wenn ich die Themen kriege, mache ich ganz grobe Bleistiftskizzen. Hier geht’s nur darum, meine ersten Gedanken festzuhalten: Die Bildidee und eine grobe Komposition zu verbildlichen. Zu Beginn gehe ich die von euch bereitgestellte Stichwortliste durch. Dann schaue ich, wo ich am ehesten hängen bleibe und mir direkt was einfällt. Am Ende wähle ich die besten Skizzen aus und gehe in die Umsetzung. Die erfolgt dann am Computer. Mit meinem Grafiktablet kann ich direkt auf dem Bildschirm zeichnen, was ein ziemlich authentisches Zeichenerlebnis vermittelt, ähnlich wie beim Zeichnen auf Papier.

Woher bekommst du die Ideen für die einzelnen Illustrationen und den Gesamtlook?

Für bestimmte Posen oder Objekte suche ich Bildvorlagen im Internet, um mich daran zu orientieren oder ich nutze eigenes Bildmaterial. Mittlerweile ist der Stil der doku.klasse Illus ja eher grafisch und rein illustrativ, aber in den Anfängen waren es noch Collagen. Damals habe ich teilweise Fotos von mir selbst oder von Freunden zerlegt und überzeichnet.

Wie kam es zu dem „illustrativeren“ Stil in deinen doxs!Bildern?

Im Jahr 2017 hatte die damalige Projektleitung einen Instagram Post von mir gesehen, in dem ich mal etwas Neues ausprobiert hatte. Dieser Look kam so gut an, dass ich ihn auch auf die doku.klasse anwenden sollte. Seitdem sind die Illus wesentlich farbenfroher. Anfangs waren sie nur in Blautönen gestaltet, passend zum Corporate Design.

 

Wie stark haben deine Arbeiten mit dir persönlich zu tun?

Früher habe ich Illustrationen als Ventil benutzt, um meine Gefühle nach außen zu tragen, quasi eine Art Selbsttherapie. Mittlerweile kommt es nur noch selten vor, dass ich die tiefsten Gefilde meines Seelenlebens oder Fotos von mir in meinen Illustrationen verarbeite. Aber bei einer der Illus in diesem Jahr habe ich tatsächlich ein sehr persönliches Foto als Vorlage verwendet. Es ist ein Foto von meinem Vater und mir zu Beginn der 1990erJahre, wie er mich auf den Schultern trägt. Das Foto ist für mich das totale Sinnbild für die Stärke und Sicherheit, die einem gegeben werden kann. So ein Gefühl ist mächtig und es kann dich für immer prägen. Mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben, aber das Gefühl, dass er mich auf seinen Schultern durchs Leben trägt, bleibt für immer. Nicht alle Menschen haben das Privileg, dieses Gefühl von ihren Eltern mitgegeben zu bekommen. Die Illustration ist ein Versuch, dieses Gefühl zu vermitteln.

Fällt es dir manchmal schwer, Ideen zu finden? Wenn ja, was hilft dir bei der Inspiration?

Nach einer langen Zeit des NichtIllustrierens fühle ich mich in der Tat manchmal etwas schwergängig beim Start. Grundlegend hilft es einfach, im Training zu bleiben. Wie eine Musiker*in ihr Instrument üben muss oder eine Sportler*in ihre Bewegungsabläufe trainieren, so ist das eben auch beim Illustrieren: Man sollte den Zeichenmuskel immer schön warm halten. Und wenn man einmal im kreativen Flow ist, sollte man dem unbedingt folgen. Aber der kreative Kopf ist natürlich nicht unerschöpflich. Deswegen ist es wichtig, Pausen zu machen, zu ruhen, sich was Gutes zu tun, Leben zu leben. Energiereserven müssen zwischendurch unbedingt aufgeladen werden. Inspiration finde ich oft im Alltäglichen, ziehe sie aber auch aus anderen Bereichen und Disziplinen: Ausstellungen, Theater, Filme, Fotografie. Am besten ist es, sich regelmäßig mit Input zu füttern, dann kann man in den entsprechenden Momenten davon zehren. Wenn ich versuche, Dinge zu erzwingen, dann klappt meistens gar nichts. Die besten Ideen kommen mir, ehrlich gesagt, wenn ich am wenigsten damit rechne: Zum Beispiel abends vor dem Schlafen gehen oder beim Meditieren.

Ist der Austausch mit anderen auch Teil deiner Arbeit oder arbeitest du recht eigenständig?

Ich arbeite in der Regel alleine. Natürlich gibt es den Kontakt mit der Auftraggeber*in vorab, aber das ist meistens mit einer Mail oder einem Telefonat geklärt. Ich bin allerdings Teil einer tollen Studiogemeinschaft. Dieser Ort ist fast wie mein zweites zu Hause, die Menschen dort, mit denen ich mir die Räumlichkeiten teile, sind mittlerweile gute Freund*innen, Kamerad*innen, Genoss*innen. Ohne Community könnte ich mir mein Leben und meine Arbeit nicht vorstellen. Das Freelance Leben kann manchmal einsam sein, das private Ich und das JobIch verschmelzen oft. Sich austauschen und sich verstanden fühlen unter Gleichgesinnten, ist total hilfreich und bestärkend. Und mit einer guten Crew macht das Ganze gleich viel mehr Spaß!

Wie stehst du zu KI? Beeinflusst sie deine Tätigkeit?

Ich sehe die Vorteile und die Möglichkeiten, habe aber auch an manchen Stellen Vorbehalte. Mit Sicherheit macht KI vor allem im Bereich Text und Bildbearbeitung vieles einfacher und zugänglicher. Beim Urheberrecht kommen da aber große Fragezeichen auf und auch bei der Frage von geschaffenem Realismus, der so echt ist, dass man ihn kaum als Fälschung entlarven kann. Das stelle ich mir vor allem in Zusammenhang mit dem Thema Fake News sehr schwierig vor. Wo bekommt man die Garantie von Echtheit her? Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass viele Menschen Dinge aus dem Internet nicht hinterfragen. Den Gedanken finde ich etwas besorgniserregend. Aber natürlich bin auch ich neugierig und habe etwas mit KI herumexperimentiert. Es ist verlockend, dass sich jetzt fantastische Welten im Handumdrehen visualisieren lassen. Für mich ist es vor allem interessant, einzelne, konkrete Bildelemente zu generieren und diese für meine Collagen zu nutzen. Ich habe allerdings noch nichts davon veröffentlicht.

Was würdest du Leuten empfehlen, die selbst Illustrator*innen werden möchten?

Mach dich auf die Suche nach deinem eigenen Stil! Versuche dabei, dich nicht zu sehr von außen irritieren zu lassen, und bleib bei dir. Deine Erfahrungen, dein Background und deine Sicht auf die Dinge sind einzigartig und gibt es so nicht noch mal. Nur Du bist Du und das ist deine Super power! Lass dich dabei gern inspirieren, aber Vorsicht, wenn du nur bei Instagram und Pinterest durchscrollst. Die Gefahr, dass du Vorhandenes reproduzierst, ist groß. Lass dich von anderen Disziplinen anregen: Gehe ins Museum, ins Theater, höre Musik, führe gute Gespräche und gehe mit offenen Augen durch die Welt. Als Illustrator*in, generell als künstlerisch und/oder selbstständige Person, braucht man einen verdammt langen Atem. Bei einigen wenigen mag der Durchbruch fix kommen, aber bei den meisten dauert es ewig, bis sie mit ihrer Arbeit solides Geld verdienen. Dinge, die man sich aneignen sollte – und das am besten früher als später – sind Disziplin, Selbstorganisation und sich selbst als Business zu begreifen. Hört sich unsexy an, ist aber so. Als Illustrator*in bist du Künstler*in, aber auch Dienstleister*in. Das ist manchmal ein schmaler Grat. Lass dich davon nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Mir hat geholfen, mir einen separaten Arbeitsraum zu suchen und mich mit Gleichgesinnten zu umgeben. Mich hat das inspiriert und motiviert. Ich finde es wichtig, sich auszutauschen, auch über Schwierigkeiten, Misserfolge oder auch Dinge, die man nicht versteht. Aus Fehlern lernt man in der Regel am meisten, daran wächst man.