Eine Filmkritik von Matthias Pytlik zu Peter Gölthenboths und Anna Piltz’ Dokumentarfilm „10 Wochen Sommer“ – entstanden in der 3sat-Reihe “Ab 18!”
„10 Wochen Sommer“ ist ein semi-dokumentarischer Film von Peter Göltenboth und Anna Piltz. Er entstand im Rahmen eines gemeinsamen Projekts, im Zuge dessen die beiden Regisseure im Sommer 2010 zehn kleine Kameras an Jugendliche aus Berlin verteilt haben, mit denen diese ihren Alltag dokumentieren sollten. Am Ende blieben Helene Bukowski, Jorinde Sturm, Tatjana Schulte und Isabella Braband übrig, die ihr Leben über die Jahre aufgezeichnet haben.
Die dokumentarische Arbeit besteht aus diversen kurzen Clips, die die Jugendlichen in dieser Zeit gedreht haben, und spielt sich chronologisch ab. Während des gesamten Films werden wir von einer Protagonistin und ihrem Voice-Over begleitet.
Der Film fokussiert im Großen und Ganzen das Thema „Erwachsenwerden“: Selbstfindung, Alkohol, Feiern, Drogen und auch Liebe sind zentrale Inhalte und Erfahrungen, die die meisten Jugendlichen genau so oder ähnlich erlebt haben. Die einzelnen Sequenzen spielen sich an zentralen Orten des Lebens der Protagonisten ab: in Wohnungen, auf der Straße, im Urlaub, in Clubs, auf Partys. Überall und stets begleitet von der Kamera. Doch Freundschaft währt nicht ewig, wie die Erzählerin feststellen muss. Gleich zu Beginn erfahren wir, dass diese innige Mädchen-Clique nicht bestehen bleibt, man sich auseinander leben, aus den Augen verlieren wird. Dies hat diverse Gründe, die der Film zum Ende hin thematisiert.
Grundlage für „10 Wochen Sommer“ bilden die Amateuraufnahmen der Protagonistinnen. Trotz der unruhigen Kamera ist genug Stabilität in der Bilderzählung, sodass man gut folgen kann. Lediglich an einigen wenigen Stellen, in denen die Protagonistin vom Fahrrad aus filmt, kommt es zu „Wacklern“, die für den Zuschauer schnell unangenehm werden. Aber gerade dies gibt dem Film etwas sehr Authentisches, Reales. Obwohl es sich um fiktionalisierte Charaktere und Inhalte handelt, bekommen wir als Zuschauer das Gefühl, dazuzugehören. Die Protagonistinnen sind einem selbst fern und doch so nah. Ich glaube, jeder Jugendliche, der in der Großstadt aufgewachsen ist, kann mit den Protagonistinnen fühlen.
Manchmal kommt es leider zu einem Bruch in der Authentizität und Glaubwürdigkeit des Films. So sehen Passagen des Films teilweise nachgestellt aus, etwa wenn die Protagonistin „Das wird unser Sommer“ in ihren Taschenkalender schreibt. Auch finde ich, dass die Off-Kommentare dem Film eher schaden als ihn unterstützen. Vieles hört sich vorgeschrieben und abgelesen an. Metaphern wie „Ich fühle mich wie ein Aufkleber, den man abgezogen hat, und nur noch ein kleiner Kleberrest ist von mir übrig geblieben“ und „dem Leben die Farbe rausdrehen“ zeugen zwar von einer tollen Rhetorik, sind in unserem Sprachgebrauch jedoch eher unüblich und wirken daher auf den Zuschauer weitestgehend konstruiert.
Nach mehrmaligem Gucken muss ich aber feststellen, dass der Film dennoch durchaus packend ist. Mit 45 Minuten Laufzeit deutlich länger als andere Mitstreiter in der „Ab 18!“ Reihe, muss er das auch sein… Mit der Bezeichnung Dokumentarfilm kann ich mich allerdings nicht wirklich anfreunden. Ich sehe den Film eher als ein gelungenes Kunstprojekt. Kurzum: Ich würde sagen, dass den Filmemachern ein guter Film gelungen ist, mit diversen kleineren Schwächen in der Umsetzung.