Atelier

Die Pferdeflüsterer

Weltpremiere in Duisburg: Antje Schneider und Carsten Waldbauer präsentierten erstmals ihren Film „Vaterland“ vor Publikum. Und dieses war begeistert von dem Porträt über die beiden Thüringer Cowboys Günni und Steffen.

 

Diese Allianz bringt nichts auseinander. So scheint es zumindest. Derselbe Look, dieselbe Leidenschaft. Zwei Cowboys in der ostdeutschen Provinz: Steffen und Günni, Vater und Sohn. Bei der Vorführung von „Vaterland“ im Duisburger Filmforum konnten die beiden Protagonisten leider nicht persönlich dabei sein. Zu beschäftigt sind sie mit dem Betrieb ihrer Ranch, der keine Reise ins Ruhrgebiet zuließ.
Das wird auch im Film von Antje Schneider und Carsten Waldbauer sichtbar. Steffen und Günni sind pausenlos im Einsatz. Sie müssen die Pferde und ihre anderen Tiere versorgen und den Unterricht für ihre Schüler*innen organisieren, die sie mit dem Lasso auf Rinderjagd schicken. Dazu kommen ihr eigenes Training und die internationalen Roping Turniere, an denen sie teilnehmen. Und auch hier ist das Duo mit Herausforderungen konfrontiert: Bei einem Wettbewerb verletzt sich eines der Pferde und humpelt aus der Arena. Ein Schreckmoment, nicht nur wegen der sicher geglaubten Siegesprämie, die bereits in den Gesamthaushalt des Vater-Sohn-Unternehmens eingepreist ist.


„Vaterland“ ist ein kurzweiliges, dicht erzähltes Porträt. Aber wie kam es eigentlich zu dem Titel „Vaterland“, will ein Zuschauer wissen. „Als wir Steffen und Günni kennenlernten“, antwortete Antje Schneider, „haben wir uns gefragt, ob so ein Junge ein eigenes Leben hat. Er lebt ja sozusagen auf Vaters Land. Kommt er da jemals raus?“ Das Votum im vollen Kinosaal, in dem neben den 3satRedakteur*innen Nicole Baum, Daniel Schössler und Udo Bremer zahlreiche Schüler*innen des Steinbart Gymnasiums in Duisburg sowie des Gymnasiums in den Filder Benden in Moers saßen, fiel eindeutig aus: Günni wirke wie jemand, der aus freien Stücken sein Leben auf seines „Vaters Land“ verbringt. Keine Spur von Frust oder gar Zwang. In diesem Punkt unterscheiden sich Film und Konzept. Im Exposé, das 2022 in der doku.klasse diskutiert wurde, war eine wachsende Entfremdung zwischen Vater und Sohn angelegt. Günni hat darin eine Freundin, die seine Aufmerksamkeit vom Hof abzieht. Zudem werden seine Ambitionen als DJ erzählt, die ein Konfliktfeld zwischen Turntables und Trainingsplatz aufmachen. Aber weder die Beziehung noch die Platten kommen im fertigen Film vor. Für Antje Schneider und Carsten Waldbauer hatte das rein praktische Gründe: „Es gab Freundinnen im Leben von Günni, aber sie haben keinen wirklichen Platz, so sehr er sich das vielleicht wünschen würde. Das gleiche gilt für sein musikalisches Interesse. Er kam während der Drehzeit einfach nicht zum Auflegen. Die Unbeschwertheit, die Günni hatte, als wir ihn vor ein paar Jahren kennenlernten, ist weg. Stattdessen hat sich in ihm die Verantwortung für den Hof verfestigt.“
Ganz ohne Musik bleibt Günni aber nicht. Immer wieder summt und singt er einen alten Deep-Purple-Song. Eher ungewöhnlich für jemanden in seiner Generation, findet eine der Lehrerinnen im Publikum. Was es damit auf sich habe. Das käme aus seiner Kindheit, antworten Schneider und Waldbauer: „Das ist bei Günni hängengeblieben.“

Ungefähr 150 Stunden Material haben die beiden Filmemacher*innen gedreht und daraus 45 Minuten kondensiert. Einige Szenen, die noch in früheren Fassungen vorhanden waren, haben es nicht in den finalen Film geschafft. Moderatorin Aycha Riffi erinnert sich aus der Rohschnittsichtung mit der doku.klasse zum Beispiel an Zeitlupenaufnahmen.
Waldbauer: „Die haben wir wieder herausgeschnitten, weil sie mit dem Alltag der zwei nichts zu tun gehabt haben.“ Warum Steffen und Günni eigentlich bei dem Film mitgemacht hätten, fragt das Publikum. Eindeutige Antwort der Macher*innen: Weil sie gerne im Rampenlicht stehen. „Sie suchen in ihrem Sport eine Bühne.“ Eine Sorge von Schneider und Waldbauer war es, ob sie eben diesen Sport in ihren Aufnahmen auch korrekt abbilden. Entsprechend groß war die Nervosität, als sie den beiden Protagonisten eine vorläufige Fassung von Vaterland zeigten. „Steffen und Günni schienen aber in erster Linie überwältigt gewesen zu sein von sich und beschäftigten sich beim Schauen kaum mit Ropingtechnischen Fragen. Nur die Einstellung eines steigenden Pferdes ganz am Anfang nahmen wir auf ihren Wunsch wieder heraus. Die sah zwar cool aus, war fachlich aber falsch.“
Ganz begeistert waren die beiden Stipendiat*innen von ihrem Workshop in Duisburg. „Diese doku.klasse ist etwas Großartiges“, schwärmte Antje Schneider. „Die Gespräche und Diskussionen mit den Teilnehmer*innen haben riesigen Spaß gemacht. Und sie haben uns tatsächlich bei ganz vielen Fragen, die wir selbst an das Projekt hatten, geholfen.“