Eine Filmkritik von Ajla Kavaz zu Kristina Konrads Dokumentarfilm „Diego“ – entstanden in der 3sat-Reihe “Ab 18!”
Der Dokumentarfilm „Diego“ aus der 3sat-Reihe „Ab 18!“ lässt den Zuschauer am Alltag des gleichnamigen Protagonisten teilhaben. Wir begleiten Diego bei seinem Studium an der University of Oxford, dem Treffen mit Freunden, Sporteinheiten und Zeit mit der Familie. Des Weiteren arbeitet er an einer App mit der man Fotos hochladen und teilen kann.
Der Protagonist scheint einen unglaublich stressigen und durchorgansierten Alltag zu haben. Alleine den Aufgaben seines Physik-Studiums widmet er wöchentlich zwischen 35 und 50 Stunden. Nebenbei trainiert er noch regelmäßig und pflegt seine sozialen Kontakte. Wir treffen auf viele Nebencharaktere, wie seine Freunde an der Uni, mit denen er abends auch gerne mal ausgeht. Dabei ist Diego häufig am Telefonieren, um Termine zu besprechen. Trotz all dieser Dinge, die Diegos Aufmerksamkeit erfordern, schafft es der junge Mann, alles zu koordinieren und dabei nicht die Kontrolle zu verlieren.
Kristina Konrad spart an Hintergrund-Informationen, die zunächst wichtig erscheinen. Im Laufe des Films werden die meisten Fragen jedoch beantwortet, ohne sie konkret ansprechen zu müssen. So wird beispielsweise die Trilingualität des Protagonisten durch Szenen im Elternhaus deutlich, in denen die Familie auf drei Sprachen ganz selbstverständlich untereinander kommuniziert.
Der Film überzeugt mit einer schönen Bildsprache. Die Kameraführung ist, bis auf wenige Szenen beim Laufen, sehr ruhig und unaufgeregt. Auch die Farben nehmen sich eher zurück und wirken sehr ruhig. Dieser Eindruck wird durch eine unaufdringliche Geräuschkulisse untermalt. Die Kamera hingegen ist während des ganzen Filmes sehr präsent. Der Protagonist unterhält sich mit der Regisseurin und auch seine Freunde erinnern den Zuschauer häufig daran, dass Diego ständig von einem kompletten Team begleitet wird. Den Blick in die Kamera scheut er nicht. Bei Szenen, wie beispielsweise während seines Trainings, gibt es ganze Sequenzen in denen er konsequent in die Kamera schaut. Auch in anderen Situationen wandert sein Blick immer wieder genau in die Linse. Es scheint als sei ihm die Präsenz der Kamera zu bewusst, wodurch viel an Authentizität verloren geht. Viele Handlungen wirken sehr bedacht auf ihre Wirkung beim Zuschauer. Sogar in sehr familiären Situationen, wie dem Musizieren mit seinem Vater, sind von Diego Sätze zu hören wie „Wir machen die perfekte Aufnahme!“, während er direkt in die Kamera schaut.
Dem Zuschauer bleibt Diegos Emotionswelt dadurch lange verschlossen. Erst zum Ende hin wird bei einem sehr persönlichen Gespräch mit der Regisseurin der Charakter des Protagonisten greifbarer. Er öffnet sich, Ängste werden besprochen und es wird deutlich, wieso er sich so sehr unter Druck setzt: Diego möchte die Dinge kontrollieren und jede Chance, für sich selbst bestmöglich nutzen. Dabei spricht er von seinem Studium und beruflichen Perspektiven, aber vor allem von persönlichen Belangen wie der Liebe.
Insgesamt vermittelt der Dokumentarfilm „Diego“ einen Eindruck des Alltags eines überaus zielstrebigen Oxford Studenten, der gerne die Kontrolle über sein Leben hat. Der Film gewährt Einblicke in ein Leben, das den meisten vermutlich fremd ist. Der Zuschauer bleibt den ganzen Film über in einer beobachtenden Position – mit dem Gefühl, dass Diego auch dem Zuschauer gegenüber die Kontrolle lieber behalten will.
Zu sehen gibt es „Diego“ derzeit in der 3sat-Mediathek.