Wir befinden uns in Köln. Köln, Stadt der Medien, Stadt des Fernsehens.
Naheliegend also, dass das Symposium zum Thema Dokumentarfilm für Kinder und Jugendliche hier stattfinden würde. Vertreter des Jugend- und Kinderdokumentarfilms, politische Instanzen, Journalisten, Festivalleiter und Interessierte (so wie ich) warten im Foyer, bei Kaffee und Kuchen auf den Beginn des europäischen Symposiums, das von der Dokumentarfilminitiative (kurz dfi) veranstaltet wird.
Für mich unglaublich spannend dabei sein zu dürfen, für die anderen Gäste mal wieder Gelegenheit, „alte“ Bekannte und ihre aktuelle Meinung zum Thema zu hören. Die Atmosphäre: locker und gesellig.
Relativ pünktlich beginnt Petra Schmitz, die engagierte Leiterin der dfi, die Veranstaltung mit begrüßenden Worten. Die Reihen des Vorführungssaals im Filmforum sind etwa zur Hälfte gefüllt.
Erster Programmpunkt „The Dutch Touch“, eine Präsentation von den drei Niederländerinnen Anna Pedroli, Meike Statema und Melanie de Langen. Mal abgesehen von dem höchst sympathischen Akzent, schien dieser Beitrag durch überzeugende Filmbeispiele auch die inhaltlichen Ansprüche der geladenen Gäste zu erfüllen. Ihr niederländisches Projekt arbeitet in Workshops mit Filmemachern zusammen und entwickelt Stoffe, die im besten Fall auch produziert werden. So konnten in den letzten Jahren ca. 300 Produktionen für Kinder realisiert werden, das deutsche Pendant dokyou hingegen kommt „gerade mal“ auf 16.
Im Laufe des ersten Tages wurde immer wieder auf den Erfolg dieses niederländischen Modells verwiesen, aber gleichermaßen auch vermehrt angedeutet, dass Onlineplattformen zur heutigen Zeit eine immer wichtigere Rolle spielen, wie man am niederländischen Beispiel „zappechtgebeurd.nl“ sehen kann. So auch das dokumentarische Videotagebuch doxwise, das bei mir bleibenden Eindruck hinterließ. Ich finde die Idee sehr spannend, Jugendlichen ab 18 eine Kamera an die Hand zu geben und für sie wichtige Aspekte in ihrem Leben filmen zu lassen und durch den Kontakt zu einem Produktionsteam (trotzdem) einen professionellen Weg zu beschreiten. Die wachsenden Klicks dazu beweisen, dass es zumindest im skandinavischen Raum funktioniert und somit dem europäischen und internationalen „Markt“ präsentiert werden kann.
Während dieses Vortrags, der zeitplanmäßig völlig aus dem Ruder zu laufen drohte, kam eine Wortmeldung, zu der ich gerne etwas beisteuern würde. (Sinngemäß) „Plakativ – das ist doch eh das, was die Jugendlichen sehen wollen!“ „Halt, Stopp!“ (Würde man als Jugendlicher jetzt wohl aus einer der bekanntesten Frauentauschfolgen seiner Zeit zitieren.) Plakativ: Das heißt nichts anderes als auffallend, demonstrativ oder stark betont.
Meine Frage nun liebe Experten, liebe Neugierige, liebe Chef-Analysten vom Sehverhalten Jugendlicher: Wollen wir nicht alle am liebsten etwas sehen, das uns fesselt und uns nicht mehr aus dem Kopf geht?
Ich bin mir sicher, auch erwachsene Zuschauer werden von plakativen Formen angezogen. Jugendliche sind schnell von konventionellen Filmen gelangweilt. Bedingt durch das Internet und seine nahezu grenzenlose ästhetische Vielfalt lernt die heutige Jugend tagtäglich neue digitale Ausdrucksformen kennen. Deswegen muss auf diese unkonventionellen und manchmal vielleicht auch plakativen Darstellungsweisen auch geschaut werden – wenn man wissen will, wie Jugendliche ticken.
Das wäre meine Meinung dazu. Und die wollte auch Christian Popp auf dem Panel zu verschiedensten Dingen hören. Im Speziellen ging es um die doku.klasse, für die ich ja nun „rasende Reporterin“ sein darf. Was, so der Moderator, ist der Vorteil, bzw. gibt es auch Nachteile an Partizipation im dokumentarischen Fernsehen? Für die anderen Teilnehmer des Panels: Frauke Gerlach, Calle Overweg und Katya Mader wahrscheinlich eine Frage, über die stundenlange Diskussionen stattfinden könnten, für mich aber eigentlich eindeutig. Partizipation ist gut! Es muss sie meiner Meinung nach geben, um zielgruppengerecht zu produzieren.
Grundlegende Bedingung dafür sollten allerdings Partizipanten sein, deren Voreinstellung nicht direkt negativ und abwertend ist. Denn: Was nützt dekonstruktive Kritik? In Social Media Beiträgen liest man oft „das ist Sch****“ oder „kann mal einer den Moderator/Kommentator austauschen?“. Aber woher wissen die Verantwortlichen, was der Zuschauer sehen will, wenn keine Gründe oder besser noch: konkrete Wünsche geäußert werden? Echte Partizipation ist sinnvoll, weil nur so auf die Ansprüche der Zuschauer eingegangen werden kann.
Natürlich ist es immer leicht, zu fertigen Produktionen seinen Senf dazuzugeben (gibt übrigens ’n tollen Senfladen direkt in Köln). Aber bei der doku.klasse geht es darum, in den Entstehungsprozess einer Produktion einzusteigen und (bestmöglich) mit Tipps und Anmerkungen (der Zielgruppe) den Filmemachern, so doof das auch klingt, eine Hilfestellung zu leisten. Noch bevor der Film gedreht wird. Auch ich – ein an Film und Medien interessierter Mensch – kann davon nur profitieren, diese Einblicke und Eindrücke mitzunehmen.
Bevor mein Senfglas gleich leer ist, möchte ich noch auf eine Sache eingehen, die von Katya Mader (ZDF/3sat), aber auch von Phillis Fermer (ZDF) angesprochen wurde. Der Sendeplatz von Dokumentarfilmen für Kinder und Jugendliche: äußerst schlecht gelegen. Er hat leider keine große Chance von der Zielgruppe gesehen zu werden. (Montags ab 22 Uhr und sonntags kurz nach acht). Schade! Kleiner Hinweis meinerseits: Jugendliche wissen nicht, was Dokumentarfilm bedeutet. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die meisten denken, Dokumentarfilme zeigen das Leben im Eis oder wie sich Vulkanlava ihren Weg durch die Natur brennt. Die weitere Arbeit in Schulen ist daher unbedingt notwendig und erfolgsversprechend – sonst würden Jugendliche erst gar nicht an Projekten wie der doku.klasse mitmachen.