L’Équipe

Das Herz auf der Zunge

Julia Praschma

Die Illustratorin Julia Praschma im Interview über ihre Entwürfe für die doku.klasse, ihren Vorstellungen vom Erwachsenwerden und warum sie es gerne laut und bunt mag.

Welche Idee steckt hinter deiner Illustration für die doku.klasse?

Von der Sparte Jugenddokumentarfilm verstehe ich, glaube ich, nicht sehr viel, aber ich habe mich erinnert an Filme, die mich in meiner Jugend stark beeindruckt haben: “Kids“, “Trainspotting“, “Absolute Giganten“. Auch wenn es in diesen Filmen um ganz andere Biografien geht, als die meine, so bleibt der Tenor doch der gleiche: Eine Melancholie, die einen begreifen lässt, dass nichts für die Ewigkeit ist und schon gar nicht das ‚Kind sein‘.

Bei den Illustrationen zur doku.klasse habe ich mich vor allem gefragt, worum es eigentlich geht, wenn man ‚erwachsen wird‘. Besser gesagt, habe ich mich versucht zu erinnern, was mich damals beschäftigt hat, als ich so langsam rausgewachsen bin aus den Kinderschuhen.

Freundschaft, Liebe, Sex, waren da wichtige Themen; wer bin ich, was kann ich, worauf hab‘ ich Bock?! Sich selbst kennenzulernen ist das Allerwichtigste, man muss Grenzen austesten, auch mal Fehlversuche machen. Zeitlichkeit spielt dabei immer eine riesen Rolle: Am besten soll alles sofort hinhauen. Ständig hat man das Gefühl was zu verpassen, es könne alles jetzt zu Ende sein und danach geht’s nicht mehr weiter. Nie mehr. Doch eben das ist es, was erwachsen sein für mich ausmacht, zu begreifen, dass es immer weiter geht und dass es eigentlich immer besser wird, denn auf sich selbst zu vertrauen, bringt einen immer nach vorn.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Keine leichte Frage, aber ich versuche mal in mich zu gehen und das Ganze auf einen Nenner zu bringen: Ungefiltert, ehrlich, manchmal vielleicht zu direkt. Nah an der Realität, aber gleichzeitig raumöffnend für fantastische Kopfkonstrukte. Laut, bunt, manchmal vulgär, obszön und oftmals dilettantisch. Ich denke, mein Stil polarisiert sehr stark, entweder man fährt voll drauf ab, oder man empfindet es als ‚too much‘. Schlussendlich aber immer mit dem Herzen auf der Zunge, deswegen durchaus sympathisch. Ich würde sagen, die Beschreibung meines Stils könnte auch glatt als Selbstbeschreibung durchgehen.

Inspiriert dich die Arbeit mit Kindern bzw. Jugendlichen?

Tatsächlich sehe ich mich auch durchaus noch als ‚eine von ihnen‘. Altersmäßig geh ich mit meinen 30 Jahren zwar nicht mehr durch als Jugendliche, als Erwachsene fühl ich mich aber noch lange nicht. Die Fragen, die man sich damals gestellt hat, stellt man sich teilweise heute immer noch, nur findet man die Antworten oft schneller, weil man sich selbst mittlerweile besser kennt und weiß, was einem gut tut und was nicht. Ich mache viele Projekte mit Kids und jungen Erwachsenen, die ich in der Regel als meines Gleichen wahrnehme. Für mich spielt Alter – genauso wie Geschlecht – kaum ein Rolle, ob 8, 18 oder 80 wenn ich den Menschen wertschätze, bin ich grundlegend interessiert an seiner/ihrer Sicht der Dinge und seinem/ihrem Output.

Welchen Subkulturen fühlst du dich verbunden? Reflektiert sich das in deiner Arbeit?

Auch schwierige Frage. Habe ich ewig nicht mehr gehört das Wort ‚Subkultur‘, gibt’s das überhaupt noch in Zeiten der Popkultur? Heutzutage kann man ja Iron-Maiden-Shirts bei H&M kaufen, pinke Haare findet man auf jedem Fashion-Blog und alle machen beruflich was mit Medien. Als ich angefangen habe zu studieren, war Grafikdesign noch nicht so ‚hip‘, jetzt macht das jeder Zweite habe ich das Gefühl. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich gar keiner richtigen Subkultur angehöre, außer vielleicht der, der brotlosen Lebenskünstler (hehe!) und selbst diese Sparte ist mittlerweile fast gesellschaftsfähig geworden.

Ich mach das, was viele andere machen: Schlage mich durch, mit dem, was mir Spaß macht, teile mir die Zeit so ein, wie ich sie brauche, pfeife auf ’ne Festanstellung und horte ein riesen Netzwerk von Gleichgesinnten um mich, deren Können und Sein mein Leben bereichert. Ich denke, die Frage kann ich resümierend zusammenfassen mit: Ich bin eine der vielen Berufsjugendlichen unserer Zeit und denke, das spiegelt sich absolut in meiner Arbeit wider!