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„Es kommt auf die Haltung an“

In Kooperation mit der doku.klasse und dem Deutschlandfunk Kultur sind in den letzten Jahren vier Feature-Stücke aus Dokumentarfilmprojekten entstanden. Betreut wurden die Filmemacher*innen beim Deutschlandfunk Kultur von den Redakteur*innen Katrin Moll, Jenny Marrenbach, Ingo Kottkamp und Massimo Maio. Christian Kosfeld sprach mit Katrin Moll und Ingo Kottkamp über die Zusammenarbeit.

Wie begann der Kontakt und die Zusammenarbeit mit doxs! und der doku.klasse?
Katrin Moll: Ich habe die Ausschreibung gesehen im Internet von ZDF/3sat für die Reihe „Ab 18!“, und dachte mir, vielleicht haben einige von den Dokumentarfilmer*innen Lust, auch ein Audioprojekt zu machen. Und dann war Gudrun Sommer Feuer und Flamme.

Ingo Kottkamp: Ich bin ein bisschen neidisch auf diese grundsätzliche Dokumentarfilmkultur. Es gibt dort eine breite und engagierte Fachdiskussion über die Ethik des Dokumentarischen: Was ist dokumentarisch und was nicht, es existiert ein Diskurs über die Formen. Auch bei doxs! habe ich diese Diskussionskultur erlebt. Es gibt eine sehr pure, am Material ausgelegte Art, Dokumentarfilme zu machen, die im Radio nicht so eine starke Tradition hat. Das war es, was mich gereizt hat: Dass man an solche Stoffe auch rankommt.

Es sind vier Features in der Kooperation mit doxs! entstanden. Wie arbeitet ihr mit den Filmemacher*innen? Was sind die Unterschiede im dramaturgischen Denken bei Feature und Dokumentarfilm?
K.M.: Die Autorinnen und Autoren haben bereits eine grundsätzliche Haltung, die machen sich Gedanken, ob ein Stück funktionieren kann. Andreas Hartmann zum Beispiel hat den Film Freier Mensch zu Ende geschnitten, kurz darauf das Hörstück und dabei dann nur mit dem Ton gearbeitet. Er hatte mich schon zum Rohschnitt eingeladen und ich signalisierte ihm, bei welchen Szenen ich das Gefühl hatte, dass die sehr gut funktionieren würden, was ich besonders stark finde. Es gab also schon ein grobes Gerüst, daraus entwickelten wir dann die Dramaturgie.

I.K.: Bei den Stücken, die wir gemacht haben, war es niemals so, dass Film und Radiostück identisch waren, allein schon von der Länge her, es gab Akzentverschiebungen, eine andere Auswahl an Szenen und Momenten, die akustisch gut funktionieren. Es gab Stücke, die nah an der Filmästhetik waren und dem, was auf ZDF/3sat gelaufen ist – und es gab andere, die ziemlich stark abgewichen sind. Bella Palanka zum Beispiel. Die Magie des Materials, dass man hingeht, Szenen einfängt – das ist etwas, was wir suchen. Wir suchen den noch nicht collagierten, verarbeiteten, den puren Moment, der eine Gänsehaut machen kann. Trotzdem stellt jedes Stück andere Fragen. Mein Gefühl ist, im Audio ist das Material ein bisschen „flüssiger“. Beim Audio hat man mehr Möglichkeiten zu schichten, zu schneiden, man kann Szenen anders komprimieren.

Gibt es aufnahmetechnisch Unterschiede zwischen Radio- und Filmton?
I.K.: Für ein Radio-Feature sind die Tonanforderungen noch stärker, wir haben eben nur den Ton. Das Ideal – auch bei der Zusammenarbeit mit doxs! – ist, dass man die Filmemacher*innen sensibilisiert, bevor die entscheidenden Aufnahmen beginnen. „Was brauchst du für Technik und Mikrofone? Wie nimmst Du auf?“ – damit der Ton auch die Qualität hat, die wir haben wollen. Vielleicht ist es aber gar nicht so sehr eine Frage von Kamera oder Mikrofon, sondern eine der Haltung desjenigen, der damit unterwegs ist. Es geht um Feinfühligkeit und Vertrauen.

Könnt ihr Beispiele nennen, wo die Arbeit besonders war? Besonders einfach in der Übertragung oder besonders schwierig, weil man einen ganz neuen Ansatz finden musste?
I.K.: Bei Bella Palanka von Johanna Bentz haben sich die beiden Fassungen sehr unterschieden. Der Film war stark von den Impressionen dieses serbischen Dorfs bestimmt, in dem sich der Protagonist bewegt, das ist ein stark visueller Aspekt. Bei diesem Projekt bot es sich an, dass wir im Feature mehr Kontext gaben. Es wurde auch die Position der Filmemacherin erzählt. Das ist ein neuer Erzählstrang geworden. Aber man kann nicht pauschal sagen, was man im Radio und im Fernsehen machen kann. Vielleicht gibt es im Radiofeature aber eine andere Tradition, mit Erzählungen zu arbeiten und das mit dokumentarischem Material zu verquicken.

Lösen sich die alten, medialen Trennungen von Film und Ton, von Fernsehen und Radio auf in der Produktion und auch in der Wahrnehmung der Film-/Radioschaffenden?
I.K.: Das Radio ist ja nicht mehr so bilderlos wie früher, es wird jetzt immer wichtiger, dass man im Internet auch gute Bilder hat. Und wer heute in Tontechnik ausgebildet wird, bekommt automatisch eine Ausbildung in Mediengestaltung. Man muss auch Content für Social Media produzieren. Aber unser Anliegen ist schon, dass wir mit vorwiegend dokumentarischem Ton ein kleines Kunstwerk gestalten. Diese Beschränkung auf das Akustische hat nach wie vor einen eigenen Reiz.

Wie blickt ihr zurück und voraus auf die gemeinsamen Projekte mit doxs!?
I.K.: Für mich hat das eine Reihe interessanter Autorinnen und Autoren erschlossen und Zugang zu tollen Stoffen. Auch wir vom Radio haben Interesse, dass Leute ihr Projekt wochenlang begleiten, aber das ist nicht so leicht zu finanzieren, und wenn es dann noch den Film gibt, ist das eine zusätzliche Finanzierung. Man tut sich ja zusammen, um besondere Projekte zu ermöglichen.

K.M.: Es ist total schön, dass wir über diese Kooperation, junge Autor*innen kennen gelernt haben, die Lust haben, fürs Radio zu arbeiten und für die das auch eine positive Erfahrung war.