Rosa Hannah Ziegler hat im Rahmen der Kooperation zwischen der doku.klasse und Deutschlandfunk Kultur eine Hörstückfassung ihres Films „Du warst mein Leben“ realisiert. Entstanden ist eine intensive Hör-Reise der beiden Protagonistinnen Yasmin und Eleonore zueinander. Im Gespräch erzählt die Regisseurin, was sie am Tonschnitt faszinierte und warum für sie die Einschränkungen des Mediums Hörfunk teilweise eine größere Freiheit bedeuteten.
Wie war es für dich als Filmemacherin, ohne Bilder und nur mit Ton zu arbeiten?
Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, weil ich bei der Hörfunk-Bearbeitung der Texte nach dem Filmschnitt natürlich immer noch die Bilder vor Augen hatte. Dann aber fand ich heraus, dass es total spannend ist, nur die Sprachebene zu haben, nur zuzuhören, weil das Raum für innere, eigene Bilder lässt und eigene Fantasien zum Gehörten ermöglicht. Was mich an der Arbeitsmethode beim Hörfunk, also am Tonschnitt stark faszinierte, war die Möglichkeit einer viel stärkeren Komprimierung des Gesagten als beim Filmschnitt. Man sieht den Tonschnitt ja nicht und muss keine Rücksicht auf Montagegesetze nehmen.
Spielte sich durch die Fokussierung auf die Sprach- und Hörebene in deiner Vorstellung ein zweiter Film ab – mit anderen Bildern als den existierenden?
Durch die ausgeweitete Erzählung entstehen natürlich Bilder im Kopf. Dass sich aber bei dem Hörstück ein völlig anderer, zweiter Film abspielte, kann ich nicht sagen, da ich in der Ästhetik, in der Montage des Materials mein Prinzip, ganz direkt und nah bei den beiden Frauen zu sein, nicht geändert hätte. Vielleicht hätte der „zweite Film“ eine andere Länge.
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Toningenieur und der Redaktion?
Sehr gut. Ich fand es erstaunlich, mit welcher Akribie der Toningenieur beispielsweise durch bestimmte Filter die Stimmung unterstützt, wie stark er sich in das Ambiente hineingefühlt hat. Es brauchte etliche Umstellungen und Kürzungen, bis das ganze Material dann die finale Form angenommen hatte. Es war ja mein erstes Feature, und ich hatte den Prozess als weniger umfangreich und komplex eingeschätzt. Mit der Redakteurin Jenny Marrenbach gab es da eine enge Zusammenarbeit, die sehr konstruktiv und hilfreich war, ich konnte einiges von ihr lernen. Es gab nicht viele Vorgaben, vielmehr stellte sich die Frage, wie man das Tonmaterial so anordnen kann, dass es sich zu einer nachvollziehbaren Geschichte zusammenfügt, die trotz des schweren Themas auch eine Identifikation ermöglicht.
Viele Aufnahmen finden sich auch im Film, du arbeitest in der Hörfunkfassung aber auch mit neuem, anderem Material. Wie gingst du bei der Auswahl und Komposition vor?
Es ging darum, ein eigenständiges Hörstück entstehen zu lassen, das die Essenz des Films wiedergibt, den Grundkonflikt – aber mit der Möglichkeit, zusätzliche Töne einzubinden, die dem Zuhörer die Geschichte nahe bringen. In „Du warst mein Leben“ hatte ich mich im Gegensatz zu meinen früheren Filmen für eine sehr puristische Lösung entschieden. Ich bin bei den beiden Frauen geblieben, um den Zuschauern die Gelegenheit zu geben, sehr direkt an der Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter teilnehmen zu können, und deren Verzweiflung und Hoffnung auf Annäherung zu zeigen.
Das Hörstück beginnt damit, dass Yasmin und Eleonore mit der Fähre nach Borkum fahren. War ein solcher Anfang auch eine diskutierte Variante für den Film?
Ja, es gab die Idee, sie erwies sich aber als weniger stark, sie hätte auch schlicht Filmzeit gekostet. Stärker schien mir für den Film, wie gesagt, mich auf den Dialog der beiden zu konzentrieren und sie nur in der Ferienwohnung am Meer zu zeigen – um den Konflikt dadurch erlebbar zu machen, und das ohne Hintergrundinformationen, durch die der ZuschauerInnen schnell werten könnte oder Vorurteile entstehen könnten. Stück für Stück erfährt das Publikum nun mehr und kann sich eine eigene Meinung bilden. Das war mir sehr wichtig. Beim Hörstück, das auch mit kurzen Zwischentexten arbeitet, war ich bewusst weniger puristisch. Es braucht so etwas wie Hörbilder, um die ZuhörerInnen dafür zu gewinnen, an dieser Reise der beiden Frauen zueinander teilnehmen zu können. Und da es auch eine innere Reise ist, habe ich dafür zusätzliche Töne aus ihrer Umgebung verwendet, um Stimmungen herzustellen und zu verstärken.
Die Zwischentexte sind ausgesprochen poetische Beschreibungen von Situationen und Stimmungen, fast literarische Miniaturen im dokumentarischen Material. Welchem Konzept bist du dabei gefolgt?
Zuerst wollte ich durch die Zwischentexte, die anfänglich sehr viel länger waren, so etwas wie Ortsbeschreibungen machen, damit die ZuhörerInnen genau orten könnten, wo sich das Ganze abspielt. Wir kamen dann an den Punkt: Weniger ist mehr. Inzwischen bin ich total überzeugt von der verknappten Form, sie lässt den HörerInnen mehr Luft, sie können das Gesagte und Beschriebene mit ihrer eigenen Fantasie ergänzen.
Könntest Du dir nach deiner Erfahrung jetzt vorstellen, weitere Hörstücke zu machen?
Warum nicht? Ich höre selbst gerne Radio. Und dieses Medium ist für mich eine Bereicherung, weil man dadurch noch ein ganz anderes Publikum erreichen kann.
„Du warst mein Leben“ wurde letztes Jahr in der doku.klasse noch als Stoff diskutiert. Jetzt ist der Film fertig, es gibt ein Hörstück – wie denkst du im Rückblick über deine Tage in Duisburg?
Ich erinnere mich an Reaktionen von SchülerInnen, das waren wichtige, gute Impulse. Es wurde damals auch diskutiert, ob man so eine brisante Situation, die ja auch sehr intim ist, filmen sollte. Mein oberstes Gebot, behutsam und respektvoll mit Eleonore und Yasmin umzugehen, wurde dadurch noch mal verstärkt. Die Zuschauerreaktionen nach der Veröffentlichung bestätigten dann, dass es ein Gewinn ist, einen Einblick in das schwierige Leben der beiden Frauen zu bekommen und daran teilhaben zu können.
Das Feature Was sagt mir Eleonore steht zum Nachhören in der Mediathek von Deutschlandfunk Kultur bereit.