Wie filmt man jemanden, der es zu seinem Job gemacht hat, sich selbst zu filmen? Gerd Breiter und Andreas Bolm diskutierten mit der doku.klasse ihr Projekt „Mein letztes Video“.
Seit seinem 13. Lebensjahr veröffentlicht Anton auf YouTube Videotagebücher. Bis zu einer halben Million Abonnenten verfolgen seine Clips, doch jetzt mit 20 soll damit Schluss sein. Gerd Breiter und Andreas Bolm planen ein Porträt über einen jungen Mann, der in seiner Welt ein Star ist und für einen Neustart alles aufzugeben bereit ist. Ein Film über ein Leben under construction, das über Jahre perfekt ausgeleuchtet war. Innenansichten eines Selbstdarstellers.
Im Workshop fanden die beiden Filmemacher mit ihrem Projekt großen Anklang. Dabei spielte es keine Rolle, dass Anton ein bekannter Videoblogger ist und unter seinem Künstlernamen „Reyst“ vielen in der Klasse ein Begriff war – im Gegenteil. Das „YouTube-Star-Thema“, so der Tenor unter den TeilnehmerInnen, habe inzwischen an Reiz und Relevanz eingebüßt. Interessant sei die Entwicklung Antons und sein privates Gesicht hinter der öffentlichen Maske.
In der doku.klasse hattet ihr es mit echten YouTube-Spezialisten zu tun. Konntet ihr davon etwas für euer Projekt mitnehmen?
Auf jeden Fall. Für uns war dieser Blick einer Generation, die mit YouTube aufgewachsen ist, und ihre Expertise sehr hilfreich. Es ist etwas völlig anderes, ob du ein Thema wie wir von außen anrecherchierst oder mittendrin steckst und jeden Tag damit zu tun hast. Wir haben zum Beispiel gelernt, wie wichtig es ist, bei gewissen Begrifflichkeiten genau zu sein. Oder was in dem Bereich einen Star ausmacht. Man verspielt bei der Community schnell seine Glaubwürdigkeit, wenn man oberflächlich und unpräzise arbeitet.
Euer Protagonist Anton ist ein echter Profi in dem, was er macht. Nicht bei allen Workshop-TeilnehmerInnen kamen seine Clips gut an. Es hieß, sie seien glatt und oberflächlich.
Das kann man so sehen, klar. Anton produziert seine Videos für eine Zielgruppe, die sie genau so haben will und ist damit überaus erfolgreich. Unsere Aufgabe als Filmemacher wird es sein, hinter die Fassade dieser Welt zu gucken. Anton ist der geborene Protagonist, auch weil er sich selbst in den Mittelpunkt stellt.
In der Klasse tauchte die Frage auf, inwieweit Anton gerade aufgrund seiner Erfahrung als Regisseur und Protagonist möglicherweise Einfluss auf die Regie eures Films nehmen könnte.
Wir denken, ihm ist klar, dass die Hoheit, was die Regie – und auch den Schnitt – angeht, bei uns liegt. Wir stehen in der Verantwortung der Produktion und Redaktion gegenüber und werden die Kontrolle nicht aus der Hand geben. Anton weiß, dass dieses Projekt nur Sinn hat, wenn wir hinter die Kulissen schauen und nicht einfach seine YouTube-Existenz duplizieren. Dafür braucht es großes gegenseitiges Vertrauen, das wir im Laufe der Dreharbeiten aufbauen müssen.
Wie war für euch die Zusammenarbeit mit der doku.klasse?
Sehr spannend! Das ist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von jungen Leuten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die sehr genau beobachtet und analysiert und geübt darin ist, mit verschiedenen Formen des Dokumentarfilms konfrontiert zu werden. Eine solche Offenheit auch unkonventionellen, experimentellen Formaten gegenüber trifft man selten. doxs! leistet hier wirklich tolle Arbeit, weil es neue Horizonte öffnet. Immerhin geht es ja um unsere zukünftigen Zuschauer.